„Eigentlich ganz cool…“ - Familienspaß im Grünstein-Klettersteig, Berchtesgaden


43 neue Klettersteige sind in den letzten drei Jahren in der Alpenregion hinzugekommen, allein in Bayern gibt es derzeit über 50 Klettersteige. Die Kraxelei in den mit Stahlseilen und Eisenleitern gesicherten Steigen boomt, bestätigt auch Hansi Stöckl. Der 31jährige Bergführer arbeitet für die Salewa Klettersteigschule in Berchtesgaden. Ein lässiger, sympathischer Typ mit viel Gespür für sein Klientel: „Echt harte Sache für Dich, an einem schulfreien Tag so früh aufstehen und alleine mit Deinen Eltern etwas unternehmen zu müssen“, begrüßt er augenzwinkernd den sportlichen, aber bisher absolut nicht bergsportbegeisterten 15jährigen. Der erste Bann ist damit gebrochen.

Mehr als 1000 Gäste besuchen hier in der Saison den Grünstein-Klettersteig, darunter sehr viele Familien. „Klettersteige sind eigentlich perfekt, bei Kindern und Jugendlichen die Begeisterung für den Bergsport zu wecken. Bergtouren an sich sind ihnen oft zu langweilig und rumkraxeln tun sie eigentlich alle gerne. Für mich ist zehn Jahre ein gutes Einstiegsalter. Vorher sind sie oft noch zu klein und kommen deshalb nicht richtig ans Seil.“ Der sinnvolle Einstieg in den Sport empfiehlt sich über einen geführten Klettersteigkurs oder Schnuppertag wie diesem. Hansi prüft das mitgebrachte Material oder gibt Leihmaterial aus. Er erklärt, was es mit dem so genannten Bandfalldämpfer in modernen Klettersteigsets auf sich hat, warum nur ein Kletterhelm auch wirklich vor Steinschlag schützt und dass vor jedem Einstieg in den Klettersteig der Partnercheck der Ausrüstung ein absolutes Muss ist. Dann lässt er seine Gäste am Übungsfelsen das richtige Sichern und die richtige Steigtechnik üben. „So sehen wir schnell, wie fit die jeweilige Gruppe ist und welche Variante des Klettersteigs wir mit ihnen gehen können.“

Lachen und große Begeisterung zu zeigen ist uncool für einen 15jährigen, doch dass es ihm Spaß macht, sich den steilen Felshang an den Eisenleitern hoch zu hangeln, ist nicht zu übersehen. Weil er und seine Eltern sich ziemlich gut anstellen, entschließt sich Hansi nach 20-minütigem Aufstieg für die schwierigere „Räuberleiter“-Variante des Grünstein-Klettersteigs, wo gleich die ersten Höhenmeter in zum Teil überhängendem Gelände eine echte Herausforderung sind. „Ältere Kinder und Jugendliche haben meist von mentaler Seite keine Schwierigkeiten und sind auch mit der Sicherung sehr sorgsam. Es wird eher ein Problem, wenn sie unterfordert sind und deshalb anfangen, Blödsinn zu machen“, erklärt der Bergführer.

An Blödsinn denkt heute keiner, sportlich gefordert sind alle drei Familienmitglieder an diesem schönen Tag am Fuße des Watzmanns. Eine geniale Aussicht auf den weit unten liegenden Königssee tut sich auf, doch der Blick geht schnell wieder hinauf zu einer weiteren, leicht überhängenden Klammerreihe, wo die Unterarme allmählich schwach werden und Hansi kurz stützend und motivierend eingreifen muss. Nach rund zweieinhalb Stunden sind die knapp 700 Höhenmeter geschafft. „War eigentlich doch ganz cool“, meint Bastian zu Hansi, als der ihm oben zum Gipfelerfolg gratuliert.

Ausrüstungstipps:
Klettergurt: Bei Kindern auf Gewicht und Größe achten. Für kleinere Kinder am besten einen Komplettgurt mit Bein und Schulterschlaufen verwenden
Klettersteigset: Klettersteigsets mit elastischen Set-Ästen waren zuletzt in Diskussion, weil bei einigen Herstellern Sicherheits-Mängel festgestellt wurden. Ausführliche Informationen dazu beim Deutschen Alpenverein (www.dav.de). Personen unter 30 Kilogramm oder über 100 Kilogramm brauchen zudem bei den meisten Sets eine zusätzliche Seilsicherung.
Helm: Gut anpassbarer Kletterhelm mit Belüftungsschlitzen. Fahrradhelme schützen nicht sicher vor Steinschlag!
Klettersteigschuhe: Bequeme, robuste Outdoor- oder leichte Bergschuhe mit abriebfester Sohle und Gummischutz über den Zehen
Handschuhe: Schützen bei längeren Touren vor lästigen Blasen an den Handflächen. Preisgünstige Variante: Gut sitzende Baumarkthandschuhe mit Lederinnenhand und hier die Fingerkuppen abschneiden. Radhandschuhe sind meist zu kurz an den Fingern.
Bekleidung: Bequeme, dem Wetter angepasste Funktionsbekleidung
Rucksack: Leichter Rucksack mit Getränk, Brotzeit und evtl. Wechsel- oder Regenbekleidung

Buchtipp:
Sascha Hoch „Klettersteige in den Ostalpen für Familien“, Bruckmann Verlag, ISBN 978-3-7654-5729-6, € 19,95




Text: Petra Rapp
Der Artikel ist auch auf der tz Draußen-Seite erschienen. pdf zum Download