Reiseträume: Jordanien - Unterwegs mit den Beduinen

Wadi Rum, Jordanien

Wegen Covid-19 sind weite Reisen derzeit schwierig. Aber träumen davon darf man ja. Und hoffen auf bessere Zeiten, in denen wir wieder Neues, Fremdes in der Ferne entdecken und erleben dürfen. Wir stellen Euch in unserer Reportage-Serie "Reiseträume" lohnenswerte Ziele vor. Heute: Jordanien

UNTERWEGS MIT DEN BEDUINEN

Bizarre Gesteinsformationen ragen in den Himmel, riesige, abstrakt gemusterte Felsen in vielerlei Farbschattierungen, dazwischen Palmen und blühender Oleander und ein immer tiefer werdender Bachlauf, dessen Wasser auf einmal am Ende der Schlucht wieder verschwunden ist und die Landschaft dann wieder knochentrocken. Ja, man kann durchaus von einer optischen Reizüberflutung sprechen, die einem in Jordanien begegnet. Raus aus dem tristen Winter daheim, überrascht das von Deutschland nur rund viereinhalb Flugstunden entfernte Land im Nahen Osten mit einer Vielfalt und Schönheit, in der naturliebende Wander- und Bergsportfreunde in wilden Canyons, grandiosen Bergen, antiken Stätten und faszinierenden Wüstenlandschaften unvergessliche Eindrücke und Erfahrungen sammeln können.


Das Haschemitische Königreich, in dem seit 1999 der westlich orientierte, mit einer Engländerin verheiratete und selbst Outdoorsport begeisterte König Adullah II bin Al Hussein regiert, zeigt sich seit vielen Jahren als politisch friedliche Oase inmitten einer krisengeschüttelten Region. Ein Ruhepol mit langer und fesselnder Historie, der allerdings unter der politischen Situation in den Nachbarländern leidet. „Seit der Syrienkrise ist der Tourismus in Jordanien stark zurückgegangen“, erzählt Guide Raed in perfektem Deutsch. „Jordanien ist ein Land, in dem sich drei Weltreligionen begegnen und man einige Verhaltensweisen beachten sollte. Aber man kann sich hier überall frei und sicher bewegen.“ Ein Eindruck, den viele Individualtouristen wie auch einige allein reisende Europäerinnen bestätigen.

Ein junger Beduine mit Träumen
Europa, dort will Suleyman auch unbedingt einmal hin. Er ist eins von zehn Kindern einer großen Beduinenfamilie, die im Naturreservat Dana in der Nähe von Feynan rund zwei Autostunden südlich vom Toten Meer, dem tiefsten Punkt der Erde, lebt. Hier kann man vier verschiedene Klimazonen von der Wüste bis hin zum subtropischen Klima und eine einzigartige Naturvielfalt mit mehr als 600 Wildpflanzen- und 250 Tierarten, darunter auch Wölfe, Adler und Hyänen erleben. „You can have everything from nature“, erzählt Suleymann und erklärt auf einer sechsstündigen, sehr abwechslungsreichen Wanderung mit kleineren Kraxelpassagen durch das schöne Wadi Ghwayr, wie die Beduinen aus den Oleanderblüten Shampoo für die Ziegen machen, welche Blätter antiseptisch wirken und deshalb als natürliche Erste-Hilfe-Wundversorgung verwendet werden können und von welchen Bäumen man die kleinen, sehr nährstoffreichen Früchte essen und damit ganz gut ein paar Tage hier in der Einsamkeit durchhalten kann. Dass er nicht viel braucht zum Leben, sieht man ihm an. Bereits als kleiner Junge hat er hier viele Tage und Nächte alleine im Freien bei der Ziegenherde verbracht. „So einen Sternenhimmel wie hier erlebst du nirgendwo sonst“, schwärmt er und möchte doch einmal selbst die Skylines von Paris oder London bei Nacht sehen. Er gehört zur jungen, weltoffenen Generation der Beduinen, für die der Umgang mit Handy und Ipad selbstverständlich ist und die wissen, was sie wollen. Suleyman will weg, um wieder zurückzukommen in sein Naturparadies und sich hier später eine Zukunft mit einer eigenen Trekkingagentur und großer Familie aufzubauen. 

Übernachtungstipp in Feynan:
 Die wunderschöne Feynan Ecolodge (www.feynan.com), im Besitz der Royal Society for the Conservation of Nature (www.rscn.org.jo) und von den Eco-Hotels betrieben,  wurde von National Geographic Traveller zu einer der 25 weltbesten Eco-Lodges gekürt.


Petra – Wandern zwischen monumentaler Kunst im Fels
Von Feynan aus können Trekkingliebhaber in einer reizvollen Dreitagestour nach Petra wandern, mit dem Auto dauert es lediglich 1,5 Stunden. Die über 2000 Jahre alte, ehemalige nabatäische Handelsstadt liegt von hohen Bergen umgeben versteckt im Süden Jordaniens. Die prachtvoll-beeindruckende Felsenstadt, die zu Lebzeiten Jesu an die Vierzigtausend Einwohner hatte, war über 1000 Jahre in Vergessenheit geraten, bis sie 1812 vom Schweizer Forscher Johann Ludwig Burckhardt wiederentdeckt wurde. Petra ist heute einer der größten archäologischen Schätze weltweit und zweifellos die bedeutendste touristische Attraktion Jordaniens. Man nimmt an, dass bisher nur 10 Prozent der antiken Stadt ausgegraben sind – und allein die sollte man unbedingt gesehen haben. Die klassische Tagestour durch das UNESCO Weltkulturerbe führt vorbei an hunderten Felsengräbern und Tempelfassaden, Grabhallen und Felsreliefs. Die imposante Schlucht, auch Siq genannt, die sich über einen Kilometer lang durch die roten Felsen bis zum berühmten Schatzhaus (auch bekannt aus der „Indiana Jones“-Verfilmung) schlängelt, ist ein einzigartiges, jedoch sehr anfälliges Naturwunder. Umwelteinflüsse und Erosion setzen dem Siq wie allen anderen Gebäuden hier zu, weshalb die UNESCO vor kurzem ein neues Schutzprojekt ins Leben gerufen hat.

Wer dem touristischen Trubel entfliehen und Petra auch von einer anderen, ruhigeren Seite kennenlernen will, sollte sich für eine Wanderung abseits der klassischen Route entscheiden. Ein Wegenetz von insgesamt 60 Kilometern an schönen Trails umgibt Petra. Einer davon führt am Bab as-Sik Triklinium hinter dem Haupteingang hinauf zum fernen Opferplatz al-Madras. Vorbei an wildem Pfeffer, alten Wohnhöhlen und Wasserzisternen ist man schon nach ein paar Metern in der völligen Einsamkeit. Ohne Guide ist man hier schnell verloren. Die Labyrinth artig verlaufenden Wege sind schwer ersichtlich und nur mit aufgeschichteten Steinen gekennzeichnet. Immer wieder tun sich tiefe Abgründe und faszinierende Blicke in die historische Stadt unten auf. Wer zu spät aufbricht, kommt hier schnell ins Schwitzen. Die Sonne brennt vor allem auf der trockenen Hochebene ziemlich herunter, Sonnenschutz und ausreichend Wasservorräte sind gefragt. Große Obelisken deuten den Weg zum Opferplatz, der hoch oben über Petra thront. In notdürftig eingerichteten Verschlägen offerieren Beduinenfamilien am Weg Tee, kühle Getränke und Souvenirs. Auf dem Weg wieder hinunter in das klassische Petra begegnet man überall historisch spannenden Relikten. „Diese herzförmige Säule am Boden war ursprünglich ein Gesäß und in der Römerzeit das Zeichen für das örtliche Bordell“, erzählt Raed. Weiter unten zieht ein eigenartiger Beutel am Fels die Blicke auf sich. „Das ist Hyänenfleisch. Das hängen die Beduinen hier zum Trocknen auf, machen dann Pulver daraus und geben es auf das Fell ihrer Schafe. So werden sie von den Hyänen nicht so leicht gewittert.“ Nach gut 10 Kilometern und 840 bewältigten Höhenmetern führt der Trail zurück zum Nabatäischen Tempel. Langsam senkt sich die Sonne und die vielen unterschiedlichen Rottöne der Felsfassaden leuchten immer intensiver. Einmalige Augenblicke und intensive Eindrücke, die man mitnimmt auf dem historischen Weg hinaus aus dieser faszinierenden Stadt. Und mit hinein in die nächste magische Region dieses Landes: das Naturschutzgebiet Wadi Rum.

Wilde Wüste mit hohen Bergen
Das Wadi Rum im Süden Jordaniens ist ein gewaltiger, 600 Kilometer langer, bis zu 60 Kilometer breiter Riss in der Erde. Eine bizarre Landschaft mit Gipfeln bis zu 1800 Metern Höhe. Mächtige Berge, die in allen Tönen der Farben Rot, Gelb und Orange schillern, deren Schattierungen sich in den Sanddünen der Wüste und am Horizont widerspiegeln. Mit Granit- und Sandsteinwänden, die mit Routen in allen Schwierigkeitsgraden Kletterer aus aller Welt locken. Mit einer überraschend vielfältigen Fauna aus rund 120 Vogelarten, Grauwölfen, Sandkatzen, Afghanfüchsen, Steinböcken und natürlich unzähligen Kamelherden. Ein obligatorischer Ritt darauf muss sein, auch wenn er diesmal nur kurz ist und eher zur Beschäftigungstherapie für die Kinder des kleinen Ortes Rum am Wüstenrand dient, wobei sich die Tiere ziemlich bockig zeigen. 

Es ist was los hier. Ein 35jähriger Beduine heiratet eine 17jährige, seine dritte Frau. Im Beisein seiner beiden anderen Frauen. Für westliche Seelen alles schon ein bisschen fremd, auch das Essen von Mansaf, dem beduinischen Nationalgericht aus geschmortem Lamm mit Reis, Rosinen, Nüssen, Pinienkernen und Joghurtsoße, das mit den Händen aus einem gemeinsamen Teller am Boden gegessen wird, aber ausgezeichnet schmeckt. Ahmed und sein Bruder fahren in ihren Jeeps regelmäßig Wüstenbesucher hinein ins Wadi Rum. Auf ziemlich buckeligen Sandstraßen, denen Bandscheibengeschädigte schnell Tribut zollen. Dann doch lieber gehen, auch wenn das Wandern im tiefen Sand und bei sengender Hitze tagsüber ziemlich anstrengend ist. Hier in der trockenen Wüste ist es besonders wichtig, ausreichend sauberes Wasser zum Trinken dabei zu haben. (Eine gute Infoquelle zum Thema Wasser und Wasseraufbereitung unterwegs findet Ihr auf Elchblog.)

Wer will, kann im Wadi Rum mit oder ohne Kamel mehrtägige Wanderungen auf den Spuren Lawrence von Arabiens machen, dabei in Beduinencamps oder Zelten übernachten, den Djebel Umm ad Dhami, mit 1854 m höchster Berg Jordaniens, besteigen oder auf einer der unzähligen Routen klettern gehen, was allerdings nur mit lokalen Guides gern gesehen ist. 

Der Jeep von Ahmed donnert zum Jebel Burdah. Das Ziel am Morgen ist die berühmte Burdah Steinbrücke auf 1360m, die 35 Meter über dem Boden schwebt und für Klettergeübte relativ leicht zu erklimmen ist. Oben wartet ein herrlicher Ausblick über das gesamte Wadi Rum. Die anschließende Wanderung geht für ein paar Stunden durch Wüstenschluchten vorbei an einigen eindrucksvoll ausgewaschenen Felsen und dank des regenreichen Winters noch saftig grünen Ginstersträuchen. Dieses unglaublich intensive Licht am Abend, wenn die Sonne über der Wüste untergeht, berührt die Seele und macht den Abschied schwer aus einem Land, wo es noch so viel mehr zu entdecken gäbe. Ila - Aliqa'a, auf Wiedersehen Jordanien und Friede sei mit Dir!

Text und alle Fotos: Petra Rapp


INFOS JORDANIEN

Lage: Das Haschemitische Königreich Jordanien liegt im Nahen Osten und erstreckt sich über eine Fläche von 89.342 Quadratkilometern. Es grenzt an Syrien, Saudi-Arabien, das Rote Meer, Palästina, Israel und Irak. Der höchste Gipfel ist der Djebel Umm ad Dhami mit 1854 m. Der Hauptgipfel wurde erst 1993 entdeckt und bietet ein herrliches Panorama über die Felsketten und unendlichen Sanddünen des Wadi Rum bis nach Saudi-Arabien.
Klima: Es herrscht weitgehend trockenes Wüstenklima. In den kühleren Jahreszeiten regnet es im Gebirge allerdings öfter, im Winter gibt es sogar Schnee. Im Sommer wird es vor allem im Jordantal, am Toten Meer und im südlichen Jordanien richtig heiß, kühlt aber in der Nacht stark ab. Beste Reisezeit ist Ende Februar bis Ende Mai und im Frühherbst (September, Oktober).
Fremdenverkehrsbüros: Alle wichtigen Infos gibt es unter www.visitjordan.com
Anreise: per Flugzeug (u.a. Royal Jordanien, www.rj.com) nach Amman
Buchtipps: Will Tondok, Jordanien, Reise Know-How Verlag München, ISBN 978-3-89662-451-1; Margeruite van Geldermalsen, Im Herzen Beduinin, Blanvalet, ISBN 978-3442367795
Ausrüstungstipps: Reiserucksack, Trolley oder Koffer und zusätzlich kleiner Rucksack? Mit welchem Gepäck man reist, hängt davon ab, was man in Jordanien oder anderswo vor hat und wie unabhängig man sein will. Die Auswahl an unterschiedlichsten Produkten ist inzwischen groß. Infos dazu findet Ihr in diversen Kaufberatungen wie beispielsweise https://www.unterwegs.biz/reiserucksack.html.
Jordanien ist extrem abwechlungsreich. Extrem heiße Tage, kühle Nächte. Wasserreiche Schluchten, staubtrockene Wüstentäler. Hohe, sehr atmungsaktive, nicht zu schwere, und vor allem gut passende Trekkingschuhe, die den Sand, Staub und wenn möglich auch Wasser außen vor lassen, sind zu empfehlen, zudem ein Paar Trekkingsandalen für kurze Wege. In Sachen Bekleidung sollte man sich ruhig die Beduinen als Vorbild nehmen und sich in lange, aber luftige Sachen hüllen, die die Sonne und den Staub vom Körper halten, aber nicht zu heiß sind. Sonnenschutz in Form von Kopfbedeckung und Sonnenbrille ist ebenso obligatorisch. Je nach Reisezeit ist auch eine wärmere Jacke für den Abend durchaus angesagt. Und wer mal ins Tote Meer springen will, solange es noch nicht ganz ausgetrocknet ist, sollte Badebekleidung einpacken.