Eiskalter Einsatz - 30 Rettungskräfte bei erster internationaler Canyoning-Rettungsübung am Tatzlwurm in Bayern

Rettungsübung am Tatzlwurm
Reglos liegt der junge Mann in seinem Neoprenanzug im eiskalten Wasser auf der Felskante am Gumpenrand des Tatzlwurm Wasserfalls am Sudelfeld, bedrohlich nah am Abgrund und ziemlich blass um die Nase. Wie schwer er verletzt ist und wo seine beiden Canyoning-Begleiter im Moment sind, wissen die Einsatzkräfte der Rettungsteams beim Eintreffen an der Unglücksstelle nicht. „Drei Canyoning-Sportler am Tatzlwurm verunglückt“, so der Notrufeinsatz bei der Leitstelle.

Eine kurze Einweisung durch den Einsatzleiter, dann gehen die Retter in zwei Teams hinein ins Wasser und seilen sich zum Verletzten ab. Jedes Team besteht aus einem speziell ausgebildeten Canyoningretter und einem Notfallsanitäter mit Wasserrettungs-Ausbildung und wird von der örtlichen Bergwacht unterstützt. Während die Sanitäterin den Verletzten so gut es im tobenden, eiskalten Wasser geht, erstversorgt und ihm eine Halskrause umlegt, bauen die anderen einen Seilzug, um den Schwerverletzten so schnell wie möglich in der Rettungstrage bergen und ins Krankenhaus abtransportieren zu können. Das zweite Team kümmert sich um die Leichtverletzte und seilt sie im Wasserfall ab. Der dritte Canyoningsportler wird später von den Einsatztauchern leblos in rund fünf Metern Tiefe in der Gumpe entdeckt und geborgen. 

Selbstüberschätzung und falsche Ausrüstung 

Einsatzleiter Jürgen Kapella
Ein dramatisches Szenerio am Nachmittag des 15. September am Sudelfeld. So wie es leider immer häufiger vorkommen kann. Denn immer mehr Abenteuerhungrige suchen beim Canyoning und bei Wildwassersportarten wie Rafting oder Kajakfahren den besonderen Adrenalinkick. „Ich kann den sportiven Reiz des wilden Wassers gut verstehen“, sagt Einsatzleiter Jürgen Kapella, der Selbstüberschätzung und schlechte Ausrüstung als Hauptursachen für die Unfälle im Wildwasser sieht. Der Kiefersfeldener ist selbst seit 30 Jahren begeisterter Canyoning- und Tauchsportler und hat lange als Guide gearbeitet. Durch das Tauchen ist er vor 15 Jahren dann zur Wasserrettung in Tirol, Einsatzstelle Kufstein, gekommen, die dort auch für die Rettung bei Wildwasser- und Canyoningunfällen zuständig ist. Anders in Bayern. Hier gehört Canyoningrettung zum Aufgabenbereich der Bergwacht. „Seit 20 Jahren gibt es dafür auch eine spezielle Canyoningretter-Ausbildung. Jede Bereitschaft, die einen Wasserfall in ihrem Einsatzbereich hat, sollte zwei entsprechend ausgebildete Retter im Team haben“, erklärt Christian Kruscha von der Bergwacht Brannenburg. 

Christian Kruscha (l.)und Andreas Basler,
Canyonretter der Bergwacht Brannenburg
Grenzüberschreitende Hilfe
In Tirol gründete Jürgen Kapella vor ca. fünf Jahren die bis dahin fehlende Ausbildungsgruppe zur Canyoning-Rettung im Tiroler Unterland und forciert seither auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Rettungskräfte. „Die ist gerade im Inntal sehr wichtig, denn auf oberbayerischer Seite gibt es keine Canyoningretter, die tauchen können. Und bei uns in Tirol können die Wasserrettungen die Hilfe der Bergwacht gebrauchen. Deshalb ist es wichtig, alles auch einmal zusammen zu üben“, sagt Kapella, der diese erste internationale Canyoning-Rettungsübung in Bayern initiiert hat.

Mit dabei am Tatzlwurm waren die Bergwachten Brannenburg und Oberaudorf, das Rote Kreuz aus Kiefersfelden sowie Einsatzkräfte der österreichischen Canyoning-Rettung aus Kufstein, Waidring, Innsbruck sowie aus Südtirol. 

Text und Fotos: Petra Rapp







 

Alle Teilnehmer der diversen Rettungsteams am Tatzlwurm