Einfach nur raus! “Bikepacking”-Trend propagiert die kurze Freiheit auf zwei Rädern

Gunnar Fehlau, Foto www.pd-f.de
„Der wirkliche Luxus heute ist Zeit“, sagt Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad, deshalb nutze ich selbst jedes noch so kurze Zeitfenster und stehle mich für eine Nacht oder ein Wochenende davon aus dem Alltag. Klar macht er das auf zwei Rädern, denn Beruf ist bei ihm auch Berufung. So wie Gunnar Fehlau machen es inzwischen viele Zweiradfans. Statt jahrelang von einem großen Urlaub zu träumen und auf ihn zu sparen, geht es einfach direkt vor der Haustür los. Vielleicht sogar direkt von der Arbeit hinein in den Kurztrip, ins Abenteuer und in die Natur.

Foto Ortlieb
Isartrail anstatt Kanada – spontane, sportive Mikroabenteuer mit Lagerfeuer und Biwak, möglichst unabhängig und mit leichtem Gepäck leben heißt das Motto, das in Anlehnung ans „Backpacking“ unter dem trendigen Namen „Bikepacking“ immer beliebter unter den Radlern wird. In der Szene, die ihre sportiven Wurzeln bei den im „Selfsupport“-Modus gefahrenen Langstrecken-Mountainbikerennen in den USA hat, haben sich einige Standards bzw. Klassiker bei der Ausrüstung herausgebildet.

Bikepacking-Räder 

Foto: www.pd-f.de
Die Anforderungen an das Rad für Abenteuerradler, die lange Strecken im Gelände meist noch ohne äußere Unterstützung (E-Motor) zurücklegen: Es muss Platz genug für das Gepäck bieten, das in speziellen Taschen im Rahmen, am Lenker und der Sattelstütze mitgeführt wird. Zudem muss es absolut zuverlässig unter Schwerstbedingungen funktionieren. Bikepacker setzen deshalb oft auf ungefederte Mountainbikes, teilweise mit wartungsarmen Naben– oder Rahmengetrieben und Zahnriemenantrieb als Alternative zur klassischen Kettenschaltung. Ein typischer Vertreter dieser Zunft ist etwa das aktuelle Van Nicholas „Revelstoke“ (Rahmenset ab 2.049 Euro, Komplettrad ab 3.947 Euro), dessen Titanrahmen besonders langlebig und unempfindlich ist und das den Verzicht auf eine Federung durch die neue B-plus-Bereifung kompensiert.Spezielle Taschen 

Foto Ortlieb
Die Idee beim Bikepacking ist, mit schmalem Gepäck, das mit speziellen Taschen direkt an Lenker, Sattel und Rahmen festgezurrt wird, auf Radreise zu gehen. Auf diese Weise bleibt die Zuladung leicht und das Rad lässt sich auch auf schlechten Wegen gut steuern. Auch könne das Rad so einfacher auf schmalen Wegen gefahren oder geschoben werden als mit ausladenden breiten Packtaschen auf einem Gepäckträger“, erklärt Peter Kühn vom fränkischen Radtaschenhersteller Ortlieb. Die fränkische Firma gilt als Erfinder der modernen wasserdichten Radtasche und präsentierte jüngst in den USA, einer der weltweit wichtigsten Radsportmessen, ihre erste Bikepacking-Kollektion (http://www.bikepacking.info/). Statt eines vorderen Gepäckträgers oder einer Lenkertasche gehört heute eine Lenkerrolle zum Bikepacking-Setup. Die wird quer zur Fahrtrichtung unter den Lenker geschnürt. Eine Rahmentasche, die das Rahmendreieck möglichst vollständig ausfüllt, hat sich vor allem für schwere Ausrüstungsgegenstände wie Werkzeug und Kocher etabliert. Separate kleine Fächer auf dem Oberrohr, am Lenker und am Unterrohr erweitern das Ladevolumen. Rucksäcke kommen beim Bikepacking übrigens eher selten und nur als Ergänzung zum Einsatz, sodass z. B. schnell und spontan die Bekleidung an die äußeren Umstände angepasst werden kann. Die sollte im Übrigen möglichst funktionell und gleichzeitig unempfindlich sein. Moderne Materialien wie Primaloft, eine im Gegensatz etwa zu Daunenfüllungen auch in nassem Zustand wärmende Kunstfaser, sorgen dafür, dass das Verlassen der Komfortzone auch in abendlich-klammer Kühle angenehm bleibt. 

Minimale Ausrüstung für maximale Freiheit 

Neben den speziellen Radtaschen stehen vor allem leichte Schlafsäcke, Isomatten, Biwaksäcke oder radikal gewichtsoptimierte Zelte sowie handliche Kochausrüstung im Mittelpunkt. Gerade die leichte Schlafausrüstung sei ein besonderer Freiheitsgarant, erklärt Stephanie Herrling vom Hersteller Vaude: „Wer sein Quartier dabei hat, der muss nichts vorbuchen und sich nicht sklavisch an irgendeine Route halten. Und das ist genau die Freiheit, die vielen in ihrem durchgeplanten Alltag abhanden gekommen ist!“

Petra Rapp