Der Nationalpark Jotunheimen zählt zu den beliebtesten Wanderregionen Norwegens. Begehrte Ziele dort: der Galdhøppigen (links), mit 2469 Metern der höchste Berg Nordeuropas, sowie der landschaftlich extrem reizvolle Besseggen-Grat (1743 Meter).
Vier Seilschaften mit jeweils mehr als 50 Menschen am Seil schlängeln sich wie Ameisen über das breite Gletscherfeld unterhalb des letzten, felsigen Anstiegs auf den Galdhøppigen. Ein bizarres Bild von oben. Alt und auch ziemlich Jung kämpfen sich einige Höhenmeter weiter, zum Teil schlecht ausgerüstet, auf den rutschigen Felstritten in Richtung Gipfel. Ja, es ist wohl mit dem Galdhøppigen ein bisschen so wie mit der Hadjdj, der Pilgerfahrt nach Mekka, die alle Muslime in ihrem Leben mindestens einmal gemacht haben sollten. Auch viele Norweger wollen einmal im Leben ihren höchsten Berg im Lande zu Fuß gemeistert haben.
Auf der anderen Seite am Horizont klart es auf und der Glittertind, mit 2465 Metern der zweithöchste Gipfel Norwegens zeigt sich. Dann endlich oben am Berggasthof „Juvasshytta“, wo Kjell Nyoygard bereits wartet, hinaus aus dem Auto. Der 42jährige Bergführer aus Lom war bereits über 900 mal oben am Galdhøppigen-Gipfel, das erste Mal als Elfjähriger. Sein ältester Gast, den er auf den Gipfel geführt hat, war 86, der jüngste sieben Jahre alt. „Es ist kein schwerer Berg, da kommt eigentlich jeder, der einigermaßen gut zu Fuß ist, hinauf“, sagt er. „Aber wir gehen über hochalpines Gelände und Gletscherfelder, die immer tückisch sein können. Deshalb sollte man hier am besten mit Bergführer und nur am Seil gesichert über die Eisfelder gehen.“
Bessegen: Gratwanderung zwischen den Wassern
Wer einmal in Jotunheimen ist, sollte sich Zeit nehmen für weitere Touren in diesem eindrucksvollen Nationalpark. Als eine der landschaftlich reizvollsten Touren gilt die Wanderung entlang des schmalen Besseggen-Grates, von dem sich bereits Henrik Ibsen für sein Gedicht „Peer Gynt“ sowie viele andere Künstler inspirieren ließen. Emotionen pur, wenn sich die Realität dann fast noch schöner zeigt als die klischeehaften Werbebilder, die man im Kopf hat. Luftlinie ist der Besseggen-Grat nur knappe 25 Kilometer südöstlich vom Galdhøppigen entfernt. Mit dem Auto ist die Reise herüber von Lom schon etwas weiter und dauert gut zwei Stunden. Verglichen mit Hotspots in den Alpen ist es aber trotz Hochsaison hier dennoch beschaulich und ruhig. Am Vorabend der Tour erzählt Marius Haugalökken, Wirt der gemütlich-rustikalen Gjendesheim Turisthytte, einem 180 Bettenhaus des norwegischen Wandervereins DNT, dass viele der rund 50.000 Besucher, die diese populäre Tour pro Sommer machen, oft vergessen, dass es sich dabei durchaus um eine alpine Tour handelt und dann schon des Öfteren an ihre Grenzen stoßen. Der 37jährige, selbst begeisterter Fischer und Jäger, kommt ursprünglich aus Otta und ist seit vier Jahren hier in Gjendesheim. Er legt großen Wert darauf, in seiner Küche möglichst viel ökologisch Regionales anzubieten und zeigt stolz seinen Kräutergarten.
Mit dem Boot geht es am nächsten Tag von Gjendesheim über den 20 Kilometer langen und 150 Meter tiefen Gjende-See (984 Meter über dem Meeresspiegel) nach Memburu. Von dort beginnt eine der Aufstiegsrouten hinauf über den Besseggengrat zum Veslefjell (1743 Meter). Einige andere Gruppen sammeln sich ebenfalls hier an der Anlegestelle und sortieren die Rucksackhaufen, die von den Booten geworfen werden. Die Gruppen verteilen sich überraschend schnell in der Weite und Länge des Weges, der hinauf durch grüne Felder der Bauern führt, weiter über steile Stiegen, vorbei an vielen Steinmanderl, bevor es immer karstiger und felsiger wird. Letzte Schneereste warten am Rande und immer wieder kleine Gebirgsseen. Eiskalt, was die jungen Guides Peter und Alexander aber nicht von einem gewagten Sprung hinein abhält. Oben am letzten, felsigen Aufstieg zum Grat, wo man schon ein wenig trittsicher und auch einigermaßen schwindelfrei sein sollte, dann der überwältigende Blick auf den smaragdgrünen Gjende auf der einen Seite und dem dunkleren Bessvatnet See (1373 Meter), Norwegens klarstem Binnensee, auf der anderen Seite. Dahinter die noch weiß verschneiten Gipfel der vielen 2000er des Nationalparks. Das ist er also, dieser berühmte Blick, der sich an sonnigen Glückstagen wie diesem tief in die Seele brennt.
Vom Grat oben, den man fälschlicher oder erhoffter Weise gerne für den Gipfel hält, führt ein langer, schottiger Weg hinüber zum eigentlichen Gipfel, den ein pyramidenartiger, großer Steinhaufen ziert. Von hier kann man entweder via Rundtour über einen östlichen Pfad wieder hinunter nach Gjendesheim absteigen oder die Tour noch weiter ausbauen und über das karstige, wunderschöne und völlig einsame Hinterland nach Bessheim wandern. Die Route zeigt sich reich an Seen und Flüssen, mit blühendem Leimkraut, Steinbrech, Gletscherhahnenfuß und Silberwurz, aber auch im unteren Teil reich an lästigen Mückenschwärmen. In Bessheim lohnt sich eine Übernachtung im kleinen Bessheim Hotel, das liebevoll von den beiden jungen Cousinen Kari Lund und Ragnhild Sjurgard betrieben wird und wo man auch in kleinen Hütten übernachten kann, bevor man mit dem viermal täglich haltenden Bus oder anderweitig weiterziehen kann in die unendliche Weite und Schönheit dieses Nationalparks Jotunheimen, der sagenhaften Heimat der Riesen. Petra Rapp
JOTUNHEIMEN INFO
Anreise:
Mit dem Flugzeug: nach Oslo/Gardamoen, weiter mit dem Zug (www.nsb.no) nach Otta (ca. 3,5 Std.), von dort mehrmals täglich Busverbindungen nach Lom
Mit dem Auto: Von Oslo nach Jotunheimen (nordwestlich von Oslo) sind es in etwa 240 Kilometer.
Infoadressen:
www.besseggen.netwww.bessheim.no/