Sie thront seit 'zig Jahrtausenden da oben und inspiriert so
manche unten im Tal: die Kundel vom Heuberg in der Nähe von Nußdorf im Inntal.
Dieser imposante Felsblock, der ein bisschen aussieht wie ein vergessener
Hinkelstein von Obelix, liegt vom Inntal aus rechts unterhalb des
Heuberggipfels und ist Thema jedes Heimat- und Sachkundeunterrichts in den
Grundschulen der Region. Der Sage nach war Kundel eine sehr hübsche, aber auch
hartherzige, junge Sennerin, die beim Brotbacken einem alten, hungrigen
Bettler jeglichen Bissen verwehrte. Sie wurde deshalb von einem Unwetter
heimgesucht, welches die Frau samt ihrem Backofen in Stein verwandelte
(die ganze Sage zum Nachlesen gibt es unter diesem Link).
So wartet die Kundel also immer noch auf eine gnadenvolle
Rückverwandlung und inspiriert derweilen weiter die Kinderphantasien wie auch
die von so manchen Outdoorsportlern. „Wir wollen an der Kundel highlinen.
Kommst Du mit?“, fragt mich mein Sohn. Ich soll fotografieren, damit er sich
mal wieder ganz auf den Sport konzentrieren kann. Gut, warum nicht. Schau ich
mir die Kundel auch erstmals aus der Nähe an und verbringe mal wieder einen schönen
Tag mit meinem Sohn draußen.
Der Weg zur Kundel ist gar nicht so leicht zu finden. Hinauf
zum Steinbruch zwischen Nussdorf und Erl, dann quer durch den Wald, vorbei an
der Bichleralm (1120 m) und weiter zum Teil auf allen Vieren bergauf durch den Wald zum Fuße
des Backofens. Max, mit 14 der Jüngste in der Runde und seit kurzem begeisterter Slackliner,
ist zum ersten Mal dabei und will sich die Königsdiziplin „Highlinen“ hier genauer
anschauen und eventuell ausprobieren. Auch Carina tastet sich langsam in die
höheren Sphären des Sports und will von den beiden Brannenburger „Profis“ Vale
und Julian aus dem Team von Slackline Tools lernen.
Erste Lektion schon mal: Zu
blöd sein darf einem nichts und man muss extrem viel Spaß an körperlicher
Anstrengung und purem Outdoorspirit haben. Verdammt schwer sind die Rucksäcke
mit der ganzen Ausrüstung und bis so eine Highline dann wirklich steht, dauert
seine Zeit und ist oft ein mühsamer Weg mit unverhofften Hindernissen. Lektion zwei: Man
muss richtig gut und sicher klettern können, um überhaupt zum Ausgangspunkt für
so eine exponierte Highline in den Bergen zu kommen. Ich kann das nicht, bleibe
deshalb auf dem kleinen Felsvorsprung unten am Backofen und schaue zu, wie Vale
und Julian die glatten Wände der Kundel und des Backofens erklettern, die ganze
Ausrüstung nach oben manövrieren und anfangen, Verankerungen einzubohren.
Ja, ja, die Götter, die ich rief… Logisch haben meine Söhne ein
paar sportliche Gene im Blut, aber wir haben diese auch redlich gefördert,
so dass meine Nerven das jetzt aushalten müssen, wenn er da oben so rumkraxelt
und sich später auf der Highline austobt. Doch bis es soweit ist, dauert es wie
gesagt. Und das ist auch gut so, denn Sicherheit hat oberste Priorität und die
beiden meistern ein paar Schwierigkeiten ganz ruhig und souverän und scheinen
das alles ganz gut im Griff zu haben. Wirkt zumindest auf mich so und das beruhigt
mich dann doch.
Ich mache mich allein auf den Weg nach unten und werfe von dort
wieder einen Blick nach oben. Die Jungs auf der Highline sind mit bloßem Auge
kaum zu erkennen, auch mein Objektiv stößt an seine Grenzen. Kundel steht da wie
immer. Unbeeindruckt. Mein Eindruck hat sich dafür geändert. Es war richtig
schön, sie auf diese Weise näher kennengelernt zu haben! Petra Rapp
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