„Der Komfort ist entscheidend!“ - Stefan Glowacz und David Lama über Funktionsbekleidung


Stefan Glowacz, David Lama
Gute Funktionsbekleidung hat wesentlichen Einfluss, wie Outdoorsport und im speziellen Alpinismus heute gelebt werden kann. Unsere Redaktion sprach darüber mit zwei der derzeit weltbesten Alpinisten: mit Stefan Glowacz (47) aus Garmisch Partenkirchen, der kurz nach dem Gespräch zu einer Expedition nach Russland aufbrach, sowie mit David Lama (22) aus Götzens bei Innsbruck. Den hält Stefan Glowacz für eines der größten Talente im Alpinismus: „Der wird ein ganz Großer und den Sport in eine völlig neue Dimension führen“. Beide testeten gerade in Wales das brandneue Gore-Tex Pro-Material für den Winter 2013/2014, das auf der ispo im Februar 2013 vorgestellt wird.

Was ist Euch bei einer Hardshell-Jacke besonders wichtig?
Stefan Glowacz, Foto Rapp
Stefan: Für mich Robustheit, Bewegungsfreiheit, Wasser- und Windundurchlässigkeit und schon schon auch gute Atmungsfähigkeit. Man fängt so schnell an zu Schwitzen, wenn man sich bewegt. Wenn da die Feuchtigkeit nicht gut nach außen transportiert wird, ist der ganze Effekt der anderen Eigenschaften dahin. Ich habe auch andere Laminate getestet und es gibt sicher auch gute andere Membranen, aber in der Kombination aller Eigenschaften und der Lebensdauer sind für mich die Gore-Tex-Laminate nach wie vor die besten.
David: Für mich ist die Kombination aus leichtem Gewicht und Funktion entscheidend. Maximale Bewegungsfreiheit ist natürlich Grundvoraussetzung.

Inwiefern bringt Ihr Euch in die Produktentwicklung mit ein?
Stefan: Wir arbeiten bereits bei der Laminatentwicklung mit den Produktentwicklern zusammen. Sie sagen uns gleich am Anfang, was sie vorhaben, wohin sie mit dem Produkt wollen und stimmen sich mit uns ab. Dann verbinden sie die Membran im Labor mit dem für den Einsatzbereich idealen Trägermaterialien und testen sie. Dann sind wir dran und testen die ersten Prototypen in einem sehr kurzen, aber sehr intensiven Zeitraum in der Praxis. Unsere Ergebnisse werden dann mit den Laborergebnissen abgestimmt. Wenn das Produkt sowohl alle Labor- wie auch Praxistests zur Zufriedenheit aller bestanden hat, geht es in Serie.
David: Wir merken beim Praxistest schnell, wenn was nicht so passt und sagen dann schon, die Kapuze ist hier zu kurz, die Naht stört, die Reißverschlüsse gehören woanders hin, die Taschen wären besser so oder der Kordelzug stört hier.

Lieber mehrere Lagen, wenn es kalt ist oder gerne eine dickere Schicht?

David Lama, Foto Petra Rapp
Stefan: Ich bin eher der Typ für mehrere Lagen. Was ich überhaupt nicht ertragen kann, sind eng anliegende Sachen. Ich bin zwar überzeugt, dass zum Beispiel Kompressionsunterwäsche einen positiven Effekt in der schnelleren Regeneration hat, aber ich mag es einfach nicht so eng. Und ich glaube, dass mehr Volumen, sprich etwas Luft zwischen den einzelnen Lagen, auch ein bisschen mehr Isolation bringt. Die Luftschicht darin kann sich aufwärmen und schützt so vor Kälte.
David: Bei den alpinen Geschichten ziehe ich immer vier Schichten an. Mit dem System fahre ich gut. Das funktioniert von warm bis kalt und ich bin flexibel.

Was sind Eurer Meinung nach die größten Fehler, die die Endverbraucher in Sachen Funktionsbekleidung machen?
Stefan: Das Wissen, welche Schichten man miteinander kombinieren muss, damit das Bekleidungssystem auch funktioniert, ist mittlerweile schon da. Aber man sieht es trotzdem immer wieder oft, dass ein Baumwoll-T-Shirts oder Sweatshirt unter oder zwischen die Funktionsschichten angezogen wird. Da macht dann auch eine teure Gore-Tex Jacke darüber nicht viel Sinn, wenn das Shirt die ganze Feuchtigkeit vom Körper aufsaugt und nicht weiter nach außen ableitet, der Körper von innen deshalb kalt wird und man so schnell friert.

Wo geht der Trend in Sachen Funktionsbekleidung hin?
David Lama, Foto Rapp
Stefan: Ich glaube, das entscheidende Kriterium ist der Tragekomfort, die Haptik. Wenn sich etwas schon nicht gut anfühlt, zieht man es nicht gerne an. Die Bekleidung soll weich und bequem sein und natürlich optimale Funktion bieten.
David: Die Sportarten im Alpinismus werden immer spezifischer und mit ihr die Bekleidung. Es wird zwar weiter die geben, die in ihren Daunenanzügen auf den 8000er gehen, aber auch die, die Berge immer schneller hinauflaufen und deshalb besonders leichte, atmungsaktive, aber dennoch robuste Ausrüstung brauchen.   

Das Interview führte Petra Rapp

Der Artikel ist auch in gekürzter Version in der tz erschienen: pdf zum Download