Richtiges Trinken am Berg - Tipps und Erfahrungen von Extrembergsteiger Hans Kammerlander

H. Kammerlander, Foto Rapp
Es ist schwül, der Schweiß rinnt bereits nach dem ersten größeren Anstieg. Dabei warten noch einige Hundert Höhenmeter bis zum angestrebten Gipfel am Hahnenköpfle hier im schönen Kleinwalsertal. Ein leichtes Schwindelgefühl macht sich breit im Kopf. Höchste Zeit, etwas zu trinken! Ernährungswissenschaftler empfehlen Sportlern, bereits vor dem Sport ausreichend zu trinken, damit der Körper nicht schon sehr früh in die Dehydrierungsphase kommt. Während der Tour sollten schlecht trainierte Ausdauersportler dann nach 30 Minuten, gut trainierte spätestens nach einer Stunde Flüssigkeit zu sich nehmen. Und zwar, bevor der Mund bereits trocken und der Durst spürbar ist. Am besten Mineralwasser, Fruchtsaftschorle oder bei langer Belastung auch Mineralgetränke. Sonst drohen eben Schwindel, Erbrechen, Muskelkrämpfe oder gar Kreislaufversagen.

Empfehlungen, die Hans Kammerlander nicht braucht. Sein Körper ist ganz anderes gewohnt als diese Tour hier. Der 54jährige Extrembergsteiger aus Südtirol war auf 12 der 14 Achttausender, fuhr als erster Mensch 1990 mit Ski vom Nanga Parbat und 1996 vom Gipfel des Mount Everest und absolvierte bis heute rund 2500 Klettertouren auf der ganzen Welt. Gerade bereitet er eine Besteigung in der Antarktis vor. Essen und Trinken ist für ihn ein relativer Begriff. Er braucht nicht viel, das sieht man ihm an. Jedes Gramm mehr ist zusätzlicher Ballast in der Höhe. „Essen wird beim Bergsport sowieso überbewertet, aber Trinken ist schon sehr wichtig. So drei bis vier Liter am Tag sollte man bei Extrembelastungen in großer Höhe oder bei großer Hitze am Berg schon trinken.“ Ab 6000 Metern wird es laut Kammerlander dann richtig heftig. „Man atmet feuchte Luft aus und sehr trockene ein, da werden schnell das Blut und die Zunge dick, wenn man zu wenig trinkt.“ Einmal am K2 war sein Gepäcksack samt Trinkflasche weg und er hatte auf 8000 Metern von drei Uhr morgens bis 18 Uhr abends so gut wie nichts zu trinken. Das war sogar für ihn extrem grenzwertig. Aber wie gesagt, sein schmächtiger, aber sehr zäher Körper braucht nicht viel. Am liebsten trinkt er in extremer Höhe Pfefferminztee, oft ein bisschen angereichert mit Elektrolytpulver. Weiter unten in den Bergen, wenn er trainiert oder klettern geht, reicht ihm ein Espresso am Morgen, tagsüber ein bisschen Apfelschorle in seiner Sigg-Aluflasche, die er mit einem Karabiner an seinem Gurt oder Rucksack hängen hat.

Foto: Rapp
Moderne Trinksysteme mit Schlauch mag er persönlich nicht so. „Trinkpausen sind immer auch gut zum Erholen“, meint er. Zu viel Flüssigkeit braucht man übrigens auch nicht mitschleppen. „In den Bergen findet man eigentlich überall saubere Bäche zum Nachfüllen. Und wer denen nicht traut, auf längeren Touren ohne Kocher zum Aufkochen oder in exotischen Ländern unterwegs ist, kann sich Tabletten oder Filtersysteme zur Trinkwasseraufbereitung einpacken.“ Richtig „rund“ war für ihn ein Tag am Berg übrigens erst dann, wenn er mit einem guten Schluck Rotwein am Abend endet. Weitere Infos unter www.kammerlander.com, www.sigg.com. Petra Rapp